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Unser Direktkandidat für die Bundestagswahl [Update: Redetext]

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Wittich Schobert, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist für mich eine Freude und Ehre zugleich beim Arbeitnehmer*innen-Empfang zum 1. Mai hier in meiner Geburtsstadt zu sprechen, der Stadt, wo ich bis 1959 mit meinen Eltern gelebt und in der ich meine wirklich innig geliebten Großeltern noch bis in die 70er Jahre hinein regelmäßig „Am Großen Katthagen“ besucht habe.

Nun steht der 1. Mai auch dieses Jahr wieder unter besonderen Vorzeichen. Corona schränkt uns ein. Es trifft alle, die unteren Schichten aber noch viel härter, namentlich Alleinerziehende, Geringverdienende und kleine Freiberufler.
Je prekärer die soziale Lage und je enger die Wohnverhältnisse, desto höher die Infektionsrate. Und während viele Wohlhabende auch in der Corona-Krise einen guten Schnitt gemacht haben, ja, Vermögensmillionäre und Milliardäre sogar einen deutlichen Vermögenszuwachs verzeichnen konnten, hat die Corona-Krise die materiellen Sorgen anderer noch verschärft. Menschen, die ohnehin über ein niedriges Einkommen verfügen, mussten ihren Lebensstandard einschränken oder Sozialleistungen beantragen, weil der Job verloren ging oder das Einkommen nicht mehr gereicht hat, um über die Runden zu kommen. Corona macht die Ärmeren noch ärmer und einige Reiche noch reicher. Diese Krise wirkt nicht als Gleichmacher, sondern ist ein Brandbeschleuniger für die Ungleichheit:

Und wenn wir nach vorne blicken, dann warten die nächsten Herausforderungen auf uns. Es droht eine Insolvenzwelle und wir müssen mit einem weiteren Konzentrationsprozess in der Wirtschaft rechnen. Für die Innenstädte sind drastische Folgen abzusehen. Es gilt, das öffentliche Leben dort unter veränderten Bedingungen zu bewahren. Und die Benachteiligungen, die es durch Corona bei Kindern und Jugendlichen gegeben hat, müssen ausgeglichen werden.

Corona hat uns mit der Gefahr eine großen Wirtschaftskrise konfrontiert. Und wir können sicher sein: Auf die erhöhte Staatsverschuldung wird sich nicht ab Herbst in Luft auflösen, sondern vermutlich nach der Bundestagswahl eine Diskussion über den weiteren finanzpolitischen Kurs und die Verteilung er Krisenlasten nach sich ziehen.


Nun hat die Bundesregierung 2020 zunächst schnell und entschlossen reagiert, hat ideologischen Ballast wie die Schwarze Null über Bord geworfenen ein wirklich großes Konjunkturprogramm aufgelegt. Das war gut.

Auch die Gewerkschaften haben viel bewirkt. Soziale Härten konnten abgefedert und Beschäftigung gesichert werden. Das Kurzarbeitergeld war und ist dabei enorm wichtig. Seine gesetzliche Aufstockung und die Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld konnte von den Gewerkschaften erstritten werden. Das alles hat geholfen, relativ gut durch die erste Welle zu kommen.

Zwischenzeitlich hat es jedoch unverkennbar einen Vertrauensverlust gegeben. Probleme bei der Impfstoffbeschaffung, fehlende Tests und nicht ausgezahlte Wirtschaftshilfen sind zu Recht als das Gegenteil guten Regierens empfunden worden. Und wenn dann mehrere Unionspolitiker noch dabei sind, sich an der Misere anderer zu bereichern, wenn zum politischen noch moralisches Versagen hinzukommt, dann ist das alles andere als trivial.


Auf der anderen Seite hat die Pandemie aber auch wie ein Vergrößerungsglas gewirkt. Es hat sich erneut gezeigt, dass Arbeitnehmer*innen mit Tarifverträgen und mit starken Betriebsräten besser fahren.
Und der Wert eines handlungsfähigen Staates und funktionierender Öffentlicher Daseinsvorsorge ist noch einmal nachdrücklich vor Augen geführt worden. Ich glaube, viele Menschen haben unter dem Eindruck der Pandemie noch einmal darüber nachgedacht, was wirklich wichtig ist. Da landen Viele bei gesundheitlicher Versorgung, bei Kommunikation, bei der Verbindung mit anderen - aber auch bei ökonomischer Sicherheit und einem tiefen Wunsch nach Fairness.

In der Fleischwirtschaft hat das nach jahrelanger Blockade durch die Union dazu beigetragen, dass in Schlachthöfen der krassesten Ausbeutung ein Riegel vorgeschoben werden konnte. Und es hat den Blick dafür geschärft, wie wichtig soziale Dienstleistungen für unsere Gesellschaft sind.

In der Tat: Corona hat gezeigt, in welch hohem Maße unsere Gesellschaft zum Beispiel auf gute Pflege angewiesen ist.
Umso dramatischer, dass e sich hier um Mangelberufe handelt: Aktuellen Studien zufolge fehlen in der Krankenpflege hunderttausend Pflegekräfte. Und in der Altenpflege noch einmal dieselbe Größenordnung. Und da ist der erwartete Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen noch ´gar nicht eingerechnet. Ebensowenig wie eine Verbesserung von Betreuungsschlüsseln und Arbeitsbedingungen.

Diese Verbesserung ist aber bitter nötig.

In der Altenpflege liegt die Bezahlung einer ausgebildeten Fachkraft im Westen bi durchschnittlich 2700 Euro und im Osten bei durchschnittlich 2300 Euro brutto monatlich. Altenpflegehelfer*innen liegen da nochmal fünf -bis siebenhundert Euro drunter. Das alles bei Vollzeit. Über 60 Prozent der Altenpflegekräfte haben aber keine Vollzeit, sondern arbeiten Teilzeit - häufig, weil andere Stellen gar nicht angeboten werden.
Da ist Altersarmut programmiert. Und das bei Arbeitsbedingungen, die so belastend sind, dass 70 Prozent der Altenpflegekräfte nicht glauben, diese Arbeit bis zur Rente durchhalten zu können.

Nicht viel anders in der Krankenpflege. Zwar verdienen die Beschäftigten dort dank höherer Tarifbindung besser - wenngleich, gemessen an Industriearbeitern,  immer noch zu wenig. Sie waren aber schon vor Corona hohen Dauerbelastungen ausgesetzt, bei unzureichender Personalausstattung - ein System, das auf Überforderung angelegt ist. Und jetzt kamen mit Corona noch das erhöhte Infektionsrisiko und extreme psychische und physische Belastungen hinzu.

Es liegt auf der Hin: Will unsere Gesellschaft nicht sehenden Auges in einen katastrophalen Pflegenotstand hineinlaufen, muss das Berufsfeld Pflege nachhaltig aufgewertet und attraktiver gemacht werden .

Das beginnt bei den Löhnen.

In der Altenpflege braucht es dazu die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrages mit verdi.
 
Jedoch - so überraschend das klingen mag - der aktuelle Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn läuft auf etas völlig anderes hinaus: Bislang schreibt das Gesetz vor, dass Tarifgehälter von den Kostenträgern nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Nun heißt es in dem Entwurf: Tarifgehälter dürfen nicht abgelehnt werden, wenn - Zitat - „der Tarifvertrag eine nach ortsüblichen Maßstäben wirtschaftliche Entlohnungsstruktur vorsieht.“  - „nach ortsüblichen Maßstäben“! Die „ortsüblichen Maßstäbe“ setzen nun allerdings vielerorts nicht-tarifgebundene kommerzielle Träger mit unterdurchschnittlichen Löhnen. Statt die Attaktivität des Pflegeberufs zu erhöhen, setzt der Gesetzentwurf von Minister Spahn mithin das Lohnniveau der besser bezahlenden Trägern - Kommunen, Caritas und Diakonie - sogar noch unter Absenkungsdruck. Und das, wo bundesweit heute schon Pflegekräfte von Heimen abgewiesen werden müssen, weil es an Fachkräften fehlt!

Das macht einen wirklich fassungslos.

Wer so vorgeht wie Spahn, der zementiert die Unterbewertung der Pflegearbeit, untergräbt die Attraktivität dieses Berufsfeldes und verständigt sich an hunderttausenden von künftig Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.

Was wir stattdessen brauchen - das ist eine deutliche Aufwertung dieses Berufsfeldes. Und damit das nicht zu einer finanziellen Überforderung der Pflegebedürftigen führt, braucht es zugleich eine Reform der Pflegeversicherung. Mit dem Ziel, dass die Pflegeversicherung künftig die medizinischen Behandlungskosten voll übernimmt und die Heimbewohner*innen lediglich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung tragen müssen.
Dafür sind dann auch höhere Beiträge für die Pflegeversicherung bzw. höhere Zuschüsse aus Steuermitteln in Kauf zu nehmen.


Und genauso notwendig ist die Aufwertung der Pflegearbeit im Krankenhaus - durch bessere Bezahlung und durch Personalbemessungsvorgaben, die für alle Träger verbindlich sind.

Sinnvollerweise sollte das mit einem neuen Finanzierungssystem im Krankenhaus gekoppelt werden. Weg vom derzeitigen System, dass Gewinne und Verluste ermöglicht. Und es erstrebenswert macht, das Leistungsangebot auf lukrative Behandlungsfälle auszurichten und den eigenen Kostenaufwand unter die gezahlten Pauschalsätze zu drücken.
Im derzeitigen System zählen Bilanzen, nicht medizinische Notwendigkeit. Und wir sehen es ja: Am Kapitalmarkt werben private Klinikkonzerne heute um Anleger mit Renditeversprechen von 10 bis 15 Prozent. Dazu spezialisieren sie sich auf gewinnträchtige Behandlungen. Sowas wie die Geburtshilfe zum Beispiel ist ihnen dafür nicht lukrativ genug. Solche Basisleistungen sollen andere machen, sie wollen mit dem Krankenhaus Geld verdienen. Helios ist so ein Beispiel für diese Praktiken - macht gerne mal Genurtshilfestationen zu und konzentrierte sich auf das, was am meisten Profit verspricht.
Davon müssen wir weg. Gesundheit in Krankenhaus und Altenpflege darf keine Ware mehr sein mit der möglichst hoher Profit gemacht werden soll. An seine Stelle sollte ein gemeinnütziges System treten.

 

Ich habe das Thema Pflege so ausführlich angesprochen, weil es dort echt brennt und soziale Dienstleistungen wirklich, wirklich wichtig sind. Jede und jeder von uns kann als Patient ins Krankenhaus müssen oder im Alter pflegebedürftig werden. Und dann sind wir auf Pflege angewiesen und wünschen uns gute Pflege. Nur müssen wir dann jetzt dafür auch was tun!

 

Faktisch ist das jedoch nur eine der Herausforderungen vor denen wir aktuell  stehen. Und die Fundamentalste von allen - das ist die Klimakrise.

Bei Corona können wir im Moment ja noch versuchen, kurzfristig wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Die Klimakrise hat eine ganz andere Größenordnung. Es drohen Veränderungen, die unumkehrbar sind.
Der Klimawandel bedroht die Menschheit als Gattung, ist eine Menschheit-, eine Schicksalsfrage. Und das erfordert entschlossenes Handeln! Jetzt!

Wir, Kolleginnen und Kollegen, sind die nämlich die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels am eigenen Leib zu spüren bekommt - und wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel noch aufhalten kann!
Davon, dass wir uns dieser Verantwortung stellen, hängt unser aller Zukunft ab, unsere persönliche Zukunft und die Zukunft unserer Kinder.

Und das ist nicht einfach so dahingesagt. Die neusten Zahlen der Internationalen Energiebehörde zeigen, dass selbst jetzt in der Pandemie, in der die Menschen so viel weniger fliegen, fahren und wirtschaften, der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen zunimmt. Kipp-Punkte rücken näher. Es wird immer dringlicher zu handeln. Und das heißt: Wir müssen uns jetzt daranmachen, Wirtschaft und Industrie klimafreundlich umzubauen.

Was wollen wir produzieren? Wie wollen wir wirtschaften? In welche Richtung wollen wir steuern und wie schnell kann und soll das gelingen?

Wie wir diese Fragen beantworten, hat unübersehbar Konsequenzen für die Z8ukuft der Industrie und für den Wirtschaftsstandort - allemal in einer Region, die so stark von der Automobilindustrie abhängt, wie die unsere hier in Südostniedersachsen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz einflechten, Herr Schobert: Ich finde es hochspannend und attraktiv, was hier in der Region Zum Thema Lappwald-See in Angriff genommen wird. „Sich bei Sonnenschein wie am Garda-See fühlen“ - für den Tourismus in dieser Region und für ihre Wirtschaftskraft ist das zweifellos ein Magnet und ein strategisches Projekt. Aber dennoch ist natürlich klar: Wennn die Industrie, wenn VW wegkrocht, lässt sich das auch über ei noch so vielversprechendes und zukunftsträchtiges Tourismusprojekt wie den Lappwald-See nicht ausgleichen.Wir werden die Industriearbeitsplätze in dieser Region also zukunftssicher machen müssen. Und dazu müssen sie nachhaltig werden.

Bei VW haben die Verantwortlichen das verstanden. Dort geht man entschlossen an den Umbau in Richtung Elektromobilität. Veränderung wird dabei zu Recht als Chance zur Zukunftssicherung verstanden.

Sicher, der Umbau wird nicht ohne Folgen bleiben für Arbeitsplätze und Beschäftigte. In der ökologischen Transformation liegen aber auch große Chancen für die deutsche Industrie und damit für Erhalt und Aufbau zukunftsträchtiger Beschäftigung. Denn: Klimaschutz . Das ist die Zukunft, wenn wir wirtschaftlich und sozial erfolgreich sein wollen.

 

In dieser Situation sind die Gewerkschaften und sehen sich die Gewerkschaften gefordert:
-   gefordert, die sozial-ökologische Transformation mitzugestalten;
-   gefordert, an den Standorten Strategien für neue Produkte und Geschäftsfelder zu eng-
    Wickeln und so Perspektiven für zukunftsfähige Beschäftigung zu erschließen;
-   gefordert, damit die <beschäftigten für neue Aufgaben und Tätigkeiten qualifiziert werden;
-   und gefordert, dabei auch Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungssicherung
    Einzusetzen, etwa in Verbindung mit Weiterbildung.
Die IGMetall zum Beispiel macht das: Und will genau dafür ihre Organisation- und Durchsetzungskraft einsetzen. Und das ist genau richtig!

Dabei ist freilich auch klar: Selbst gemeinsam schaffen es zukunftsorientierte Unternehmen und Gewerkschaften nicht allein. Dafür müssen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Und die schafft nicht der Markt! Dazu bedarf es eines aktiven Staates, der Regeln setzt und Vorgaben macht, an denen die Unternehmen ihre Planungen ausrichten können. Die Unternehmen brauchen einen politischen Rahmen, der ihnen Planungssicherheit für klimafreundliche Investitionen geübt.
Und es bedarf des Weiteren eines Staates, der klimafreundliche Investitionen fördert und auch selbst tätigt -vom massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur über Breitbandausbau und Inventionen in Schiene und ÖPNV bis hin zu Abnahmegarantien für klimaneutrale Produkte etwa bei öffentlichen Bauvorhaben.

Kostet das Geld? Ja. Kostet das viel Geld? Ja! Aber dieses Geld muss in die Hand genommen werden!
Um es klar zu sagen: Deutschland war bisher viel zu zaghaft bei Investitionen. Und das nicht nur beim Klimaschutz. Seit über 20 Jahren wurde auf Verschleiß gefahren. In den Städten und Gemeinden sind die Abschreibungen höher als die Investitionen. Der öffentliche Kapitalstock verfällt zusehends. Allein der kommunale Investitionsstau beläuft sich inzwischen, KfW-Angaben zufolge, auf 147 Milliarden Euro.
Oder nehmen wir das Schienennetz. Das ist in Deutschland völlig überaltert. Die Pro-Kopf-Investitionen in die Schiene Bettragen keine 80 Euro. Unser Nachbarland Österreich investiert 218 Euro, in der Schweiz sind es sogar 365 Euro. Und die Liste der Defizite ließe sich noch lange fortsetzen.

Was wir mithin dringend brauchen, sind Investitionen, Investitionen, die den Kampf gegen den Klimawandel mit einer vorausschauenden Industriepolitik und mit sozialem Ausgleich verbinden. Das kann mit einer Politik, die zur Schuldenbremse zurück will, nicht gelingen.

Alle Ökonomen, die sich mit Klima beschäftigt haben, kommen zu dem Ergebnis, dass es viel kostengünstiger ist, jetzt zu investieren als später unter radikal schwierigeren Bedingungen gegen die Konsequenzen der Klimaveränderungen ankämpfen zu müssen.

Jede heute nicht getätigte Investition ist morgen eine Belastung der nächsten Generation.

Und das umso mehr jetzt, wo der deutsche Staat bei Niedrig -, ja Negativzinsen Schulden umsonst aufnehmen kann, ja, sogar noch einen Teil des <geldes geschenkt bekommt, weil er später weniger zurückzahlt als er heute aufnimmt.
Unter solchen Bedingungen trotz massiver Investitionsbedarfe an der Schuldenbremse festzuhalten entspringt purer Unvernunft und macht keinen Sinn.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Machen wir uns nichts vor: Ion weniger als 30 Jahren eine Klimagerechte Gesellschaft zu werden, bedeutet die große, eine wirklich große Veränderung,
Doch, wir brauchen diese Veränderung, brauchen die Umgestaltung unserer Wirtschaft, brauchen die Energie-, die Mobilität- und die Agrarwende, um Sicherheit für die Zukunft zu gewinnen.

Nun wissen wir freilich: Veränderung löst auch Verunsicherung aus. Arbeitnehmer*innen fragen sich: Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Was wird, wenn erworbene Qualifikationen nicht mehr gebraucht werden? Habe ich noch Chancen am Arbeitsmarkt? Was für Chancen werden meine Kinder haben? Und wie werden überhaupt die Lasten nach Corona verteilt? Einer aktuellen Bertelsmann-Studie zufolge befürchten zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland, dass die Corona-Pandemie ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz verschlechtert hat.

Das muss man sehr ernst nehmen. Und in der Tat: Der ökologische Umbau wird nicht gelingen können, wenn das Soziale auf der Strecke bleibt. Ökologie und Soziales müssen zusammengedreht werden. Sozialer Ausgleich ist unverzichtbar. Und auch dazu braucht es einen Politikwechsel - und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt!

In der Alterssicherung darf es nicht zu einem weiteren Absinken des Rentenniveaus kommen. Und dazu, dass die Rente für immer mehr Menschen nicht ausreicht, um anständig über die Runden zu kommen und in Würde alt werden zu können. Dahin. Darf es nicht kommen!

Und weiter: Es darf nicht länger hingenommen werden, dass wir jedes Jahr zehntausende Sozialwohnungen verlieren und es immer schwieriger wird bezahlbaren Wohnraum zu finden, weil die Einkommensentwicklung der meisten menschen mit den rasant steigenden Mieten nicht mehr Schritt hält.

Und, Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht länger toleriert werden, dass die Tarifbindung sinkt, Betriebsratswahlen behindert werden und Unsicherheit am Arbeitsmarkt um sich greift, indem Arbeitsverträge in großem Stil nur noch befristet zustande kommen - oft sachgrundlos.
Das darf nicht tolertiert werden.

Was wir brauchen ist eine Erneuerung der sozialen Sicherheitsversprechens. Klimaschutz muss mit sozialem Ausgleich verbunden werden. Und die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden!

 

Im September ist Bundestagswahl. Und da geht es um eine Richtungsentscheidung.

Nun mag es manchen so scheinen, als stünde da die Sicherheit des Gewohnten und Bekannten gegen die Unsicherheit von Veränderung. Sicherheit gegen Veränderung - das ist jedoch eine ganz und gar falsche Alternative. Denn, Sicherheit für die Zukunft können wir nur mit und durch Veränderung gewinnen.

Dazu muss der Weg frei gemacht werden für umfassende Zukunftsinvestitionen in den sozial-ökologischen Umbau unserer Volkswirtschaft. Und ich betone: sozial und ökologisch.

Vier Punkten kommt aus Arbeitnewhmer*innen-Sicht in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu:

Wir wissen: Tarifverträge schützen und ermöglichen bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen. Deshalb muss - erstens - das Tarifsystem nachhaltig gestärkt werden, indem die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen geknüpft wird. Wir brauchen ein Bundestariftreuegesetz! Hinzu kommen muss eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde.

Zweitens: Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen muss ein Topthema werden. Wir brauchen einen massiven Zubau von günstigen Mietwohnungen und wir brauchen einen besseren Mieterschutz! Die Kernfrage in der Wohnungspolitik lautete doch: Wollen wir mehr Gemeinwohl?  Oder mehr Profit? Und wir sollten dafür sorgen, dass das Gemeinwohl entschieden mehr Gewicht bekommt als bisher.!

Und - dritter Punkt - das Rentenniveau muss dauerhaft stabilisiert - besser noch: wieder angehoben  - werden und auch Geringverdienende müssen bei langjähriger Beschäftigung im Alter eine auskömmliche Rente erhalten.

Das alles kostet Geld, viel Geld. Den enormen Bedarf an Zukunftsinvestitionen zu decken und für sozialen Ausgleich zu sorgen,  erfordert deshalb - vierter Punkt - auch einen finanzpolitischen Kurswechsel.
Die Öffentlichen Investitionen sollten von der Schuldenbremse ausgenommen werden, Und große Vermögen, hohe Erbschaften und Kapitaleinkünfte sollten mehr zum Gemeinwesen beitragen.
Einen Konzern zu erben, ohne einen Cent Erbschaftssteuer zu zahlen - das darf es in Zukunft nicht mehr geben.
Hier geht es um finanzielle <handlungsfähigkeit und um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und das ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage. Demokratien sind stärker, wenn die Ungleichheit geringer ist!

 

Freilich sollten man sich nichts vormachen. Ja, für diese gewerkschaftlichen Positionen gibt es im politischen Raum durchaus Unterstützung. Bei Grünen, SPD, Linkspartei und in Teilen auch vom Arbeitnehmerflügel der Union.

Aber es formieren sich auch Gegenkräfte.

Gesamtmetall und die Metallarbeitgeberverbände haben ein - wie sie es nennen - „Belastungsmoratorium“ gefordert., Eine Verschärfung der Klimaziele? Abgelehnt! Und zwar auf nationaler wie auf europäischer Ebene, Desgleichen Steuererhöhungen. Und ebenso eine Verknüpfung von Konjunkturmaßnahmen mit der Klimapolitik! Stattdessen wird gefordert: auf die Grundrente zu verzichten; die paritätische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzugeben; den Abschluss unsicherer Arbeitsverhältnisse zu erleichtern und die Dokumentationspflichten beim Gesetzlichen Mindestlohn abzuschaffen, was nichts anderes bedeutet, als dass künftig nicht mehr kontrolliert werden könnte, ob der Gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird oder nicht.
Zwischenzeitlich nun ist der Gesamtmetall-Chef an die Spitze der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gerückt. Die fordert mittlerweile eine, so wörtlich, „Entfesselung der Wirtschaft“ in Gestalt einer Agenda 2010 2.0, das heißt, nichts weniger als die forcierte Deregulierung des Arbeitsmarktes und eine umfassende Emtsicherung der Arbeitnehmer*innen in Deutschland.

Für die Zeit nach Corona und die Nach-Merkel-Ära kommt das einem Kampfprogramm gegen die arbeitende Bevölkerung gleich. Mit sozialem Ausgleich beim Umbau unserer Wirtschaft ist das nicht vereinbar.

Und auch fürstliche Forderungen gibt es einen politischen Resonanzraum. So hat sich beispielsweise Armin Laschet für ein „Belastungsmoratorium“ ausgesprochen. Auch er plädiert für die schnelle Rückkehr zur Schuldenbremse und hat Steuererhöhungen schon mal glatt ausgeschlossen.

Für die Bekämpfung der Klimakrise ist das kein gutes Signal. Und für den notwendigen sozialen Ausglich auch nicht.

Aber vielleicht hat er da ja noch nicht gewußt, dass sich zwischenzeitlich selbst der Verband der Europäischen Automobilindustrie ausspricht für ehrgeizigere CO2-Minderungsziele als ursprünglich von der EU-Kommission vorgesehen - wenn nur die Ladeinfrastruktur zügig ausgebaut wird. Präsident des Verbandes ist übrigens der Vorstandsvorsitzende von BMW.

Es bleibt also spannend. Ausgang: offen!

Deutlich zu sehen ist aber: Wohnen und >Mieten, Renten und Arbeitsmarkt, die Finanzpolitik sowieso, und auch die Klimapolitik - sie alle bleiben umkämpftes Terrain, auf dem die Interessen nicht zuletzt von Arbeit und >Kapital aufeinanderstoßen.


Umso wichtiger sind starke Gewerkschaften.

Gemeinsam stehen wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für fundamentale moralische Werte in unserer Gesellschaft. Für Fairness und Solidarität, für gegenseitigen Respekt und für die Würde des Menschen in Ausbildung, Arbeit und Alter, für demokratische Rechte und für soziale Gerechtigkeit.

Und deswegen können wir und sind wir stolz darauf, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zu sein - Menschen, die sich für die Gestaltung unseres Gemeinwesens engagieren.
Und sich freuen, mit einem solchen Empfang hier im Rathaus auch ein Stück Anerkennung zu finden, für das, was sie für den Zusammenhalt und die Zukunft unserer Gesellschaft bewirken.

In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal bedanken für Ihre und Eure Aufmerksamkeit. Ihnen und allen Menschen hier in Helmstedt wünsche ich für die Zukunft alles Gute!



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